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Kinderrechte ins Grundgesetz

Kinder beim Tauziehen
Es ist wichtig, dass die Rechte der Kinder ausdrücklich im Grundgesetz verankert und dadurch sichtbarer gemacht werden© Fotolia/Robert Kneschke

Seit fast 30 Jahren gilt die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (VN) in Deutschland - und seitdem wird darüber diskutiert, Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern. Dieser historische Schritt war für die 19. Legislaturperiode geplant, doch konnte im parlamentarischen Verfahren über das Vorhaben Anfang Juni 2021 keine interfraktionelle Einigung erzielt werden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird dennoch weiterhin alles daransetzen, dass die Kinderrechte auch in Zukunft weiter gestärkt werden. 

Die jüngste Gesetzesinitiative hatte einen längeren Vorlauf, verbunden mit intensiven Beratungen. Am 20. Januar 2021 verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf, der vorsieht, Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes durch die folgenden Sätze zu ergänzen:

"Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."

Mit diesem Vorschlag befasste sich am 26. März 2021 erstmals der Bundesrat und am 15. April 2021 in erster Lesung auch der Bundestag, gefolgt von einer öffentlichen Anhörung am 17. Mai 2021 - ohne dass eine Einigung zustande kam. Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig.

Hintergrund der Gesetzesinitiative 

Kinder sind Trägerinnen und Träger aller Grundrechte und gleichzeitig besonders schutzbedürftig. Aus dem Verfassungstext geht das bislang aber nicht explizit hervor. Deshalb ist es aus der Sicht des Bundesfamilienministeriums nach wie vor von großer Bedeutung, dass die Rechte der Kinder ausdrücklich im Grundgesetz verankert und dadurch sichtbarer werden. Die wichtigste Grundlage dafür sind die Bestimmungen der VN-Kinderrechtskonvention.

Bedeutung der VN-Kinderrechtskonvention

Die VN-Kinderrechtskonvention gilt seit fast 30 Jahren in Deutschland verbindlich im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Mit der Ratifizierung im Jahr 1992 hat sich die Bundesrepublik dazu verpflichtet, die Rechte von Kindern zu achten, zu schützen und zu fördern. Dabei gelten in Deutschland alle Menschen bis 18 Jahre als Kind. Das Kindeswohl muss bei allen staatlichen Entscheidungen, die Kinder betreffen, als "vorrangiger Gesichtspunkt" berücksichtigt werden. Dieses sogenannte Kindeswohlprinzip aus Artikel 3 ist ein zentrales Element der VN-Kinderrechtskonvention.

Kinder und Jugendliche müssen beteiligt werden

Ein weiteres Kernprinzip der VN-Kinderrechtskonvention ist das subjektive Recht des Kindes auf Beteiligung und angemessene Berücksichtigung seiner Meinung gemäß Artikel 12. Kinder und Jugendliche sind darauf angewiesen, dass ihre Rechte durch Erwachsene wahrgenommen werden - nicht nur im Alltag, sondern auch bei politischen Entscheidungen. Kinder sollten entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife beteiligt und ihre Interessen bei allen staatlichen Entscheidungen maßgeblich berücksichtigt werden.

Keine Schwächung des Elternrechts

Mit der Stärkung der Interessen der Kinder werden zugleich auch Eltern und Familien gestärkt. Dies stimmt mit den in der VN-Kinderrechtskonvention geregelten Elternrechten überein: Nach Artikel 5 der Kinderrechtskonvention sind die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern zu achten: Artikel 18 Absatz 1 der Kinderrechtskonvention gewährleistet die Verantwortung der Eltern für das Kindeswohl.

Wichtige Schritte zur Verbesserung der Kinderrechte

Grundsätzlich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Situation von Kindern in Deutschland verbessert: Zum Beispiel hat die gesetzliche Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im Jahr 2000 dazu geführt, dass sich die Einstellung zu Gewalt in der Erziehung verändert hat. Zum präventiven Kinderschutz leisten die Netzwerke "Frühe Hilfen" und die psychosoziale Unterstützung von Familien einen wichtigen Beitrag. So stellt das Bundesfamilienministerium seit 2018 durch die neu errichtete Bundesstiftung "Frühe Hilfen" dauerhaft jährlich 51 Millionen Euro zur Verfügung.

Zu einem guten Aufwachsen gehört auch, dass Kinder Zugang zu früher Bildung und Betreuung haben. Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab einem Jahr.

2015 hat das Bundesfamilienministerium eine unabhängige Monitoring-Stelle zur VN-Kinderrechtskonvention beim Deutschen Institut für Menschenrechte eingerichtet. Die Monitoring-Stelle beobachtet unabhängig die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland und setzt sich für Kinderrechte ein. Zahlreiche Vereine und Initiativen unterstützen dieses Anliegen und tragen ihrerseits dazu bei.

Fünfter und Sechster Staatenbericht

Die wichtigsten Schritte zur Verbesserung der Kinderrechte seit dem Jahr 2014 fasst der Fünfte und Sechste Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zur VN-Kinderrechtskonvention zusammen: Aus dem Staatenbericht geht hervor, dass Deutschland viele Empfehlungen des VN-Kinderrechteausschusses aufgegriffen und damit die Rechte von Kindern und Jugendlichen gestärkt hat.

Defizite bei der Umsetzung der VN-Kinderrechtskonvention

Dennoch bleibt einiges zu tun: Die VN-Kinderrechtskonvention ist noch nicht überall bekannt und nicht immer wird sie so umgesetzt, wie es sein sollte. Das bestätigen zwei vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Gutachten. Darin bewerten die Expertinnen und Experten zugleich die geplante Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz als verfassungspolitisch sinnvoll. Das Grundgesetz ist unsere höchste Werteordnung. Eine Grundgesetzänderung ist damit weitaus effektiver als viele kleine Änderungen im einfachen Recht.

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