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Sichtbar für Vielfalt
"Pflegekinder suchen keine perfekten Menschen, sondern stabile, liebevolle Erwachsene." Das Influencer‑Paar lebt Familie offen und angstnehmend - sichtbar für Akzeptanz, Struktur und die leisen großen Augenblicke.
Möchten Sie Sich kurz vorstellen?
Wir sind Papa Bjoern (47) und Papi Christian (43), seit 15 Jahren ein Paar, seit sieben Jahren Eltern und heute eine der sichtbarsten Regenbogenfamilien in Deutschland. Mit unserem achtjährigen Sohn (zunächst Dauerpflegekind, inzwischen adoptiert), unserer neugeborenen Tochter (Dauerpflegekind) und Labrador Anton leben wir in einem kleinen Haus auf dem Land in Bayern. Unser Alltag ist genauso chaotisch, liebevoll und lebendig wie in jeder anderen Familie. Gemeinsam haben wir mit Papaundpapi® ein Herzensprojekt aufgebaut, das im Laufe der Jahre zu einer echten Marke geworden ist. Mit unserem Instagram-Account @papaundpapi, Büchern, Bühnenprogramm und Podcast möchten wir zeigen, wie vielfältig Familie sein kann. Wir teilen unsere Erfahrungen als Regenbogenfamilie, räumen mit Vorurteilen auf und ermutigen Menschen, ihren eigenen Weg zu gehen, laut, liebevoll und authentisch. Und: Solange unser Modell noch als "besonders" gilt, bleiben wir sichtbar für Akzeptanz, Toleranz und die einfache Wahrheit, dass Familie dort entsteht, wo Liebe ist.
Was hat Sie dazu bewegt, Pflegeeltern zu werden?
Für uns war schon lange klar, dass wir Familie leben möchten. Wir haben uns über unterschiedliche Wege und auch die Aussicht auf Erfolg informiert. Als wir uns intensiver mit dem Thema Pflegekinder beschäftigt haben, hat uns besonders bewegt, wie viele Kinder in Deutschland auf einen sicheren Ort warten - auf Menschen, die sie auffangen, begleiten und ihnen Stabilität schenken. Gleichzeitig hatten wir anfangs große Unsicherheiten. Wie bindet man sich an ein Kind, das vielleicht wieder gehen muss? Sind wir "gut genug" für diesen Weg? Diese Fragen haben uns lange begleitet. Doch je tiefer wir uns mit dem Thema beschäftigt haben, desto mehr wich die Angst einem klareren Blick. In Gesprächen mit Jugendämtern, Pflegeeltern und Fachkräften haben wir verstanden, was der Prozess tatsächlich bedeutet. Wir verstanden Wahrscheinlichkeiten, Abläufe und wie sorgfältig ein Match vorbereitet wird und dass man eng begleitet wird. Die Angst wich, Mut kam. Pflegekinder suchen keine perfekten Menschen, sondern stabile, liebevolle Erwachsene. Als unser Sohn zu uns kam, fühlte es sich selbstverständlich an; mit unserer Tochter hat sich das noch einmal bestätigt. Ja, Kinder bringen ihre eigene Vergangenheit mit - manchmal schwer, manchmal leise. Aber es fühlt sich für uns wie ein Geschenk an, ein Teil ihrer Zukunft zu sein.
Welche Erfahrungen haben Sie im Bewerbungsprozess für ein Pflegekind gemacht?
Für uns war vor allem der erste Bewerbungsprozess eine sehr intensive Reise. Am Anfang haben wir vieles nicht verstanden. Viele Fragen wurden oft wiederholt, vieles fühlte sich sehr persönlich an: Beziehung, Biografie, Finanzen, Familie, Stärken und Schwächen wurden beleuchtet. Das verunsichert, bis man versteht, wofür es dient: dem Schutz des Kindes und einer guten Passung. Pflegekinder brauchen nicht nur Liebe, sondern Sicherheit, Stabilität und Menschen, die auch in schwierigen Momenten bleiben. Damit ein Kind in genau die Familie kommt, die zu ihm passt, muss vorher sehr sorgfältig geprüft werden: Wie leben wir? Was können wir geben? Wofür stehen wir? Welche Herausforderungen können wir tragen und welche eben auch nicht? Diese Klarheit entsteht durch Wiederholung, Reflexion und Offenheit. Rückblickend war die Zeit anstrengend, aber wichtig: Sie hat uns vorbereitet, als Paar gestärkt und uns geholfen, ein Stück weit zu verstehen, was es wirklich bedeutet, Pflegeeltern zu werden.
Können Sie eine Ihrer schönsten Erinnerungen mit Ihrem Pflegekind bzw. Ihren Pflegekindern teilen?
Für uns sind es oft die kleinen Momente, die sich tief in unsere Herzen eingebrannt haben. Wir erinnern uns noch gut an einen Sommer, als unser Sohn noch sehr klein war. Er saß im Sandkasten, friedlich und so glücklich mit sich und seiner Welt. Dieser Moment hat uns unglaublich bewegt, gerade mit dem Wissen um seinen Hintergrund und seinen holprigen Start ins Leben. Heute sind es Szenen mit seiner kleinen Schwester: wie liebevoll er sie streichelt, mit ihr spricht, und wie sie ihn anlächelt, als wären die beiden auf einer ganz eigenen Ebene miteinander verbunden.
Welche Veränderungen hat die Pflegeelternschaft in Ihrem Alltag und in Ihrem Leben bewirkt?
Die Pflegeelternschaft hat unseren Alltag und unser Leben in vielerlei Hinsicht verändert, nicht nur familiär, sondern auch organisatorisch und emotional. Als Pflegeeltern trägt man eine Verantwortung, die über das klassische Familienleben hinausgeht. Zum einen gibt es die Absprachen und enge Kontakte mit Jugendämtern und Fachstellen. Termine, Gespräche, Entwicklungsberichte und Hausbesuche… all das gehört zu unserem Alltag. Es braucht Struktur, Verlässlichkeit und eine gute Zusammenarbeit, denn wir sind ein Teil eines größeren Systems, das zum Schutz und zur Entwicklung des Kindes arbeitet. Hinzu kommen die Besuchskontakte mit der leiblichen Familie. Für uns bedeutet das, Verständnis und Akzeptanz für Menschen aufzubringen, deren Geschichte wir nicht unbedingt kennen und deren Entscheidungen wir nicht immer nachvollziehen können. Aber wir haben gelernt, dass diese Kontakte ein wichtiger Teil für die Identität unseres Kindes sind. Offenheit, Respekt und ein geschützter Rahmen sind dabei essenziell. Parallel dazu gibt es auch die juristische Seite. Wir haben erleben dürfen, wie intensiv der Weg sein kann, von Fragen des Sorgerechts, über Gerichtsverfahren, die Klärung rechtlicher Schritte, bis hin zu Themen wie Namensänderungen oder sogar der Beantragung einer Adoption. All diese Prozesse haben uns verändert. Wir sind geduldiger geworden, informierter, selbstbewusster im Umgang mit Behörden und klarer im Auftreten für die Bedürfnisse unserer Kinder. Wir haben gelernt, im Namen unserer Kinder zu sprechen und manchmal auch für sie zu kämpfen. Aber vor allem hat uns die Pflegeelternschaft gelehrt, dass Familie mehr ist als DNA. Sie entsteht durch Verantwortung, Vertrauen und das gemeinsame Durchstehen von Wegen, die nicht immer leicht sind.
Sie teilen Ihr Leben als Pflegeeltern sehr offen in den sozialen Medien. Warum haben Sie sich dazu entschieden - und was möchten Sie damit erreichen?
Wir teilen unser Leben als Pflegeeltern bewusst offen, weil wir zeigen möchten, wie vielfältig Familie heute sein kann und weil Pflegekinder und Pflegefamilien oft unsichtbar bleiben. Viele Menschen wissen außerdem kaum, was Pflegeelternschaft wirklich bedeutet, welche Herausforderungen und Chancen dieses besondere Familienmodell mit sich bringt und warum es so wichtig ist, Kindern in schwierigen Lebenssituationen ein sicheres und liebevolles Zuhause zu bieten. Wir möchten ein realistisches, aber auch hoffnungsvolles Bild zeigen: Ja, Pflegeelternschaft ist komplex. Sie verlangt Geduld, Struktur, Zusammenarbeit mit Ämtern und Gerichten, Offenheit gegenüber der Herkunftsfamilie und die Bereitschaft, mit einer oft belasteten Vergangenheit eines Kindes umzugehen. Und gleichzeitig schenkt sie unglaublich viel Liebe, Wachstum und Sinn für alle Beteiligten. Wir wollen Vorurteile abbauen, Berührungsängste verringern und Menschen ermutigen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, vielleicht sogar selbst Pflegeeltern zu werden. Uns ist wichtig zu zeigen, dass Pflegekinder keine perfekten Bedingungen brauchen, sondern stabile, liebevolle Menschen, die ihnen Halt geben. Gleichzeitig möchten wir Kindern wie unseren eine Stimme geben. Pflegekinder haben kein eigenes Sprachrohr, keine Lobby. Indem wir erzählen, klären wir auf - immer respektvoll, geschützt und nie auf Kosten unserer Kids.
Welche Reaktionen erhalten Sie am häufigsten von Ihrer Community, wenn Sie über Ihr Pflegekind sprechen?
Die häufigsten Reaktionen aus unserer Community, wenn wir über unser Pflegekind sprechen, sind Dankbarkeit, Wertschätzung und echtes Interesse. Viele schreiben, dass sie durch uns zum ersten Mal verstehen, wie Pflegeelternschaft wirklich aussieht. Andere teilen ihre eigenen Erfahrungen, ihre Unsicherheiten oder ihre Berührungspunkte mit dem Thema. Besonders berühren uns Nachrichten wie: "Durch euch haben wir den ersten Schritt gemacht." oder "Eure Geschichten haben uns die Angst genommen." Genau dafür sind wir sichtbar: Wenn dadurch auch nur eine Familie entsteht, die einem Kind Halt gibt, hat sich alles gelohnt.
Was würden Sie Menschen sagen, die überlegen, Pflegeeltern zu werden, aber noch unsicher sind?
Es ist völlig normal, Angst zu haben, uns ging es zu Beginn genauso. Niemand startet diesen Weg ohne Zweifel und Respekt vor der Aufgabe, und das ist auch gut so. Nehmen Sie sich Zeit, stellen Sie Fragen, prüfen Sie ehrlich: Was kann ich geben? Wo sind meine Grenzen? Suchen Sie das Gespräch mit Jugendämtern, Trägern und Pflegeeltern, besuchen Sie Infoabende. Man muss nicht sofort "Ja" sagen, aber man darf hinhören, ob dieses "Ja" schon leise da ist. Und das Wichtigste: Man geht diesen Weg nicht allein. Man wird begleitet, unterstützt und ernst genommen. Vieles wirkt am Anfang kompliziert, aber am Ende schenkt es Sinn, Liebe und oft ein neues Verständnis von Familie. Unsicherheit gehört dazu - sie sollte nur nicht größer sein als die Chance, einem Kind Stabilität, Liebe und Zukunft zu schenken.
Das Interview wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) im Rahmen der Kampagne "Zeit, die prägt"geführt.