-
Kontakt Wir beantworten Ihre Fragen.
-
Beratung vor Ort Finden Sie zuständige Behörden und Beratungsstellen.
Sie befinden sich hier:
Vom Pflegekind zum Pflegevater
Stefan kam als Kind in Verwandtschaftspflege - mit Schmerz und Verunsicherung. Dort erfuhr er Wärme und Geborgenheit. Heute sagt er: Der Weg hat mich geprägt. Und ich gebe weiter, was mir geholfen hat.
Hinweis zur Anonymität: Der Interviewpartner wünscht die Veröffentlichung unter seinem Vornamen. Die Identität des Interviewpartners ist dem BMBFSFJ bekannt.
Möchten Sie Sich kurz vorstellen?
Ich bin Stefan, 54 Jahre alt, verheiratet. Ich habe einen leiblichen Sohn (25) und einen Pflegesohn (11).
Wie erinnern Sie sich an den Moment, als Sie zu Ihrer Pflegefamilie gekommen sind?
Ich kam in Verwandtschaftspflege zu meinem Cousin - und trotzdem war er zunächst ein fremder Mensch. In dieser Zeit habe ich viel Schmerz und große Verunsicherung empfunden. Ich wurde direkt von zu Hause abgeholt, der Augenblick war für mich durchaus traumatisch.
Was hat Ihnen Ihre Pflegefamilie damals am meisten gegeben?
Vor allem Wärme und Geborgenheit - und dass man mich erst einmal in Ruhe gelassen hat. Weil es familiär blieb, hatte ich noch Kontakt zu meiner Oma, dem wichtigsten Menschen in meinem Leben, zu meinen drei Tanten und zu meiner Halbschwester.
Gab es einen besonderen Augenblick, der Ihnen bis heute im Herzen geblieben ist?
Das erste Weihnachtsfest dort, es war so liebevoll und ruhig.
Welche Herausforderungen haben Sie in dieser Zeit erlebt - und wie wurden Sie unterstützt?
Natürlich hatte ich therapeutische Unterstützung, aber vieles wurde letztendlich nicht angesprochen. Ich habe es den Menschen um mich herum nicht immer leicht gemacht: Vertrauen aufzubauen fiel mir schwer, mich zu öffnen noch mehr. Vieles habe ich mit mir allein ausgemacht, der Zugang zu meinem Inneren war für andere nicht einfach. Gleichzeitig hat man mich so sein lassen, wie ich bin - trotz aller Schwierigkeiten.
Inwiefern hat das Leben in einer Pflegefamilie Ihren weiteren Lebensweg beeinflusst?
Ich bin dankbar, dass sich dieser Weg geöffnet hat und ich nicht ins Heim musste. Mir wurde viel ermöglicht, ich konnte Erfahrungen sammeln und mich weiterentwickeln. Ich kam mit sieben Jahren in die Pflegefamilie, da war schon einiges in meinem Leben passiert. Schule, Ausbildung, Auszug - all das hat mich geprägt, und ich wurde unterstützt. Diese Erfahrungen und meine Geschichte haben schließlich dazu geführt, dass ich selbst ein Kind aufgenommen habe und heute in diesem Bereich arbeite.
Was würden Sie einem Kind sagen, das gerade in eine Pflegefamilie kommt?
Bei aller Unsicherheit und bei allem Schmerz: Lass dir Zeit. Du musst niemandem gefallen - sieh es als Chance. Stell Fragen, wenn du welche hast, und nimm an, dass du angenommen und geliebt bist. Niemand verlangt von dir, die Vergangenheit zu vergessen. Versuche dich zu öffnen; alleine ist das schwer zu schaffen. Du bist du - und deine Eltern bleiben deine Eltern, egal was passiert ist.
Das Interview wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) im Rahmen der Kampagne "Zeit, die prägt" geführt.